donate
fund our projectsFirst of all: guerillaclassics. Wie findest du eigentlich, was wir da so machen?
Mir gefällt an guerillaclassics, dass junge Leute die klassische Musik in einen anderen Kontext bringen wollen. Sie machen sie damit auch wieder hörbar für Leute die vielleicht zum Teil Berührungsängste mit klassischer Musik haben. Auf der anderen Seite spricht guerillaclassics auch junge Menschen an, für die klassische Musik eigentlich normal ist, die aber gleichzeitig auch Rock- und Popmusik hören. Mit meinem eigenen Festival Apples and Olives versuchen wir genau das auch zu machen. Man könnte es als Post-Genre-Denken bezeichnen. Wir wollen nicht bestimmte Szenen bedienen, sondern spannende Leute und spannende Musik zusammenbringen.
Du wirst oft als Brückenbauer zwischen Jazz und Klassik bezeichnet. Was bedeutet das für dich?
Ich habe Musik einfach immer schon interessant gefunden – ganz unabhängig von einem bestimmten Stil, egal ob klassische Musik, Jazz oder Rock. Meine Eltern haben ganz unterschiedliche Stilrichtungen gehört und in der Schule und danach habe ich zum Glück viele Menschen getroffen, die mir den Zugang zu den verschiedensten Musikrichtungen eröffnet haben. Allerdings haben mich eigentlich immer mehr bestimmte Songs oder Gruppen als bestimmte Stile interessiert. So bin ich in die verschiedensten Szenen reingerutscht. Ich habe aber auch schon früh angefangen klassische Musik, Gershwin, Bach oder Bartok mit der gleichen Begeisterung zu spielen wie Chick Corea oder Latin Music und Funk.
Du wirst anlässlich der Südafrika-Tour von guerillaclassics ein Stück für die Musiker des Zürcher Cosmic Percussion Ensembles komponieren, die damit im März 2020 zwei Wochen lang durch Südafrika touren werden. Wie bist du zu dem Projekt gekommen?
Wir waren mit meiner Band Ronin vor einigen Jahren schon selber in Südafrika auf Tournee und hatten damals am Capetown Jazz Festival gespielt. Dadurch kenne ich viele Südafrikaner und Musikinteressierte von dort. Als Hiromi (Gut) und Jakob (Blumer) vor einigen Monaten mit der Idee kamen hat mich das sofort interessiert. Ich kenne die Connections und die Zusammenhänge in Südafrika, die Musikkultur ist riesig.
Hast du die vier Jungs des Cosmic Percussion Ensembles bereits kennengelernt?
Über die Idee und Hiromi bin ich mit ihnen in Kontakt gekommen. Hiromi hatte mich gefragt, ob ich für die vier jungen Musiker etwas schreiben würde. Gerade Perkussionisten versuchen die Welten mutig und nicht fahrlässig zu mischen und etwas zu kreieren, bei dem sie viel leisten und viel Risiko eingehen müssen. Das fand ich spannend und unterstützenswert.
Wie schwer bzw. leicht fällt es dir ein Stück für Perkussion zu komponieren? Du bist von Haus aus ja Pianist, hast an der ZHdK Klavier studiert.
Also zum einen habe ich meine Musikerkarriere damals mit Schlagzeug angefangen und zum anderen habe ich schon viel für Perkussion geschrieben. In meinen eigenen Bands spielen Schlagzeug und Perkussion eine grosse Rolle. Von dem her kenne ich das Instrumentarium sehr gut. Irgendwann habe ich auch angefangen, für Perkussion zu komponieren, zum Beispiel Stücke für zwei Klaviere und zwei Perkussionisten. Viele Perkussionsensembles und Schlagzeuger interessieren sich auch für unsere Musik. So hat sich das dann ganz natürlich entwickelt.
Das Stück, das du komponieren wirst, ist für zwei Marimbas und ein Vibraphon ausgelegt und wird rund fünfzehn Minuten lang sein. Hast du bereits etwas im Kopf?
Gerade komponiere ich für verschiedene Perkussionsensembles. Was für Südafrika genau entstehen wird, weiss ich momentan allerdings noch nicht, das wird sich in den nächsten drei, vier Monaten zeigen.
Hast du ein Lieblingsinstrument wenn es um Perkussion geht?
Nein, das habe ich nicht. Perkussion ist ja selbst schon wie ein Orchester. Es kommt einfach sehr drauf an, was man mischt und mit was man genau arbeitet.
Was wird die grösste Herausforderung beim Kompositionsprozess sein?
Die grösste Herausforderung beim Komponieren ist, dass das Stück zu den Menschen passt, die es spielen. Man meint immer, ein Komponist schreibt irgendein Werk, das er selber gut findet oder das ihm die Inspiration schenkt. Aber dem ist nicht so. Es ist wichtig gemeinsam mit den Menschen das Werk zu gestalten, das sie nachher spielen. Dabei muss so Einiges beachtet werden: Wie viel Probezeit haben sie, wie viele Aufführungen, was sind ihre Stärken, was ihre Schwächen? Man muss das Ensemble ernstnehmen, ihnen Lust machen, das Stück zu spielen und sie gleichzeitig auch fordern – das ist die grosse Kunst.
Apropos Kunst: dir ist es wichtig, dass junge Musiker*innen früh lernen, wie es ist, in der freien Szene zu arbeiten und ein Leben lang Künstler*in zu sein. Kannst du das genauer erläutern?
Im Studium studiert man eben. Und erst im richtigen Leben geht es dann darum, wie man mit dem arbeitet, was man im Studium gelernt hat. Ich finde die Menschen spannend, die es ernst nehmen, Musiker*innen, Künstler*innen zu sein. Ich finde es bewundernswert, wenn sie für ihre Musik leben wollen, wenn sie das ganz professionell und praktisch angehen und auch einen gewissen Handwerkerstolz haben.
Was bedeutet es für dich selbst Künstler oder Musiker zu sein?
Für mich ist das etwas ganz Normales und Praktisches und gleichzeitig das, was ich am allerliebsten mache. Deswegen mach ich das, das hat sich einfach so entwickelt, ich habe mich eigentlich nie bewusst dafür entschieden.
Es wird das erste Mal sein, dass guerillaclassics mit Musikern aus dem Artist Pool auf Konzerttour geht. Findest du es wichtig, dass junge Musiker*innen gemeinsam auf Tournee gehen?
Auf jeden Fall. Das Wichtigste ist das Spielen, das Zusammenspiel als Gruppe, das Sammeln von Erfahrungen. Das ist mit meinen Bands nicht anders. Das macht uns aus und beeinflusst die Entwicklung unserer Musik. Die Erfahrung und das Miteinander sind etwas ganz Entscheidendes. Das hat mehr mit dem Musikmachen zu tun als die ganze Theorie dahinter.
Inwiefern hat die Tatsache, dass guerillaclassics ausgerechnet nach Südafrika geht deine Entschiedung beeinflusst beim Projekt mitzuwirken?
Ich finde es vor allem spannend, dass nicht nur das Ensemble, sondern auch alle, die es begleiten und organisieren, sehr aktiv und sehr positiv gestimmt sind. Sie wollen etwas riskieren und ihre Musik kommunizieren – und nicht einfach nur warten bis jemand kommt. Das finde ich unglaublich wichtig. Diese Initiative braucht es auf jeden Fall, die sollte man unterstützen. Ganz egal ob in der Schweiz oder in Südafrika.
Inwieweit wird das Thema Südafrika in deine Komposition miteinfliessen oder diese beeinflussen?
Da geht es mehr um den Kontext. Stilistisch ist das jetzt nicht so das Thema bzw. es ist ja so, dass die afrikanische Rhythmik in der Perkussionswelt schon immer eine Rolle gespielt hat. Die ist quasi schon drin. Aber ich achte zum Beispiel darauf, wo das Stück aufgeführt wird. Wird es draussen aufgeführt, in welchen Räumen, in welchem Zusammenhang kann man es spielen? All das nimmt Einfluss auf das Stück.
Es gibt die Behauptung, dass Weisse keinen Blues spielen können. Neben dir wird noch der südafrikanische Komponist Neo Muyanga ein Stück für das Cosmic Percussion Ensemble komponieren. Wie siehst du das, findest du man kann die Musik anderer Kulturen erlernen? Kann man Musik, wenn man nicht in dem Kulturkreis aufgewachsen ist, überhaupt authentisch rüberbringen?
Es kommt meiner Meinung nicht so sehr darauf an, welche Hautfarbe jemand hat, sondern mehr darauf, ob man die Musik ernst nimmt, wie man sie in der Gruppe pflegt und wie man die eigene Affinität verfolgt. Dann entwickeln sich Traditionen und Communities von ganz alleine.
Es ist also möglich, das eine schliesst nicht das andere aus?
Das hängt von der Intelligenz und den sozialen Fähigkeiten der Menschen ab, die etwas miteinander machen. Wie lernfähig sie sind, wie sehr sie miteinander lernen können. Das hat weniger damit zu tun, woher man kommt, sondern mehr damit wie man sich verhält.
Uns geht es bei guerillaclassics und ganz besonders beim Südafrika-Projekt darum, dass die Musiker*innen miteinander in Dialog treten und eine gemeinsame Sprache in der Musik finden. Deswegen werden zwei südafrikanische Musikerinnen, die Sängerin Nomapostile Nyiki und die Viola-Spielerin Sarah Evans, an der Seite des Cosmic Percussion Ensemble auftreten. Inwiefern findest du diesen Dialog wichtig, wie versuchst du ihn selbst in deinen eigenen Werken zu führen?
Das Lernen funktioniert über die gemeinsame Arbeit, über das Gespräch – und das nicht primär projektbezogen, sondern auf lange Sicht. Man muss sich als Menschen, als Kulturen kennenlernen, abgleichen und dadurch voneinander lernen. Die Toleranz und die Kommunikation sind das Entscheidendste überhaupt – und das nicht nur in der Musik, sondern im Leben allgemein. Das ist das einzige Menschenbild, das überhaupt Sinn macht wenn man zusammenarbeiten und zusammenleben möchte.
Worauf freust du dich in Hinblick auf das Südafrika-Projekt am meisten?
Ich freue mich vor allem darauf mit jungen, sehr positiven und aktiven Leuten zusammenzuarbeiten zu können, mit Menschen, die eine Vision und Lust haben. Ich bin natürlich gefordert, all das mit dem Instrumentarium in meiner Musik und mit meinem Hintergrund in Zusammenhang zu bringen. Natürlich kann man nicht alles planen, man weiss nicht, wie es nachher rauskommen wird. Die Stücke müssen ja auch an die Orte adaptiert werden, sie müssen robust sein, müssen sich dafür eignen in verschiedenen Zusammenhängen gespielt zu werden. Darin sehe ich gerade die grösste Herausforderung.
Die Uraufführung deiner Komposition für das Cosmic Percssuion Ensemble wird im Museum Rietberg stattfinden. Dann geht es nach Südafrika, bevor die Jungs nach ihrer Rückkehr nochmals an einigen Orten in der Schweiz spielen werden. Wirst du beim ein oder anderen Auftritt in der Schweiz auch dabei sein?
Ganz bestimmt. Ich freue mich schon sehr darauf, die Stücke hier in der Schweiz zu hören, sie zu verbessern, zu vertiefen und weiterzuentwickeln.